Seit 1. Februar 2013 ist das Sorgerecht in Österreich neu geregelt. Die "Obsorge Neu" entwirft das Idealbild einer gemeinsamen Fürsorge für Kinder nach Trennung oder Scheidung der Eltern. Doch zur gleichberechtigten Elternschaft im Sinne des Kindeswohles ist es noch ein weiter Weg ...
Dem Gesetz nach sollen möglichst beide Elternteile die Obsorge gemeinsam wahrnehmen.
- Bei Eheleute gilt die Regelung automatisch
- unverheiratete Paare können, wenn die Vaterschaft zuvor anerkannt wurde, die gemeinsame Obsorge unbürokratisch beim Standesamt - und nicht wie früher bei Gericht - bekanntgeben.
- Auch Patchwork- und Regenbogenfamilien werden durch das Gesetz gestärkt: Neue Partner können den Elternteil in alltäglichen Belangen vertreten, sofern sie mit dem Kind in einem Haushalt leben.
KONTAKTPFLICHT STATT KONTAKTRECHT
Um dem Menschenrecht des Kindes auf beide Elternteile zu entsprechen, wurde das Antragsrecht für Elternteile ohne Sorgerecht - oft sind dies Väter unehelicher Kinder - ausgeweitet. Hierfür wendet sich der Antragsteller an jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zwar besteht keine Anwaltspflicht, in strittigen Fällen mag jedoch Beistand durch den Experten ratsam sein. Sofern es dem Kindeswohl entspricht, ordnet das Gericht zunächst eine sechsmonatige Probephase an. Danach trifft es eine Obsorgeregelung, die sich auch gegen den Willen eines Elternteils durchsetzen lässt.
RECHTE UND PFLICHTEN BEI DER OBSORGE
Bei einer so strengen Rollenverteilung ist es nicht verwunderlich, dass sich Konfliktparteien mit Unverständnis gegenüberstehen. In einem Punkt jedoch herrscht Einigkeit: dass Ungerechtigkeit vorprogrammiert ist. Aus der Sicht vieler Mütter sind zwar die Rechte, nicht aber die Pflichten und Lasten gerecht verteilt - man denke an Elternsprechtage, Arztbesuche, Pflegefreistellung, Vereinbarkeitsprobleme etc. Auch wenn das Gesetz explizit vorsieht, dass der Kontakt des anderen Elternteils sich nicht auf die Freizeit beschränken, sondern auch den Alltag umfassen sollte: Wie ist das bei so unterschiedlichen, gleichsam vom Gesetz her vorgesehenen Rollen möglich sein? Bei einer gleichmäßigeren Aufgabenverteilung wären viele Mütter im Alltag entlastet und könnten in größerem Ausmaß erwerbstätig sein - was nicht nur für ihre Alterssicherheit von Bedeutung ist. Väter hätten die Möglichkeit, eine aktive, über Alimentezahlungen und Besuche weit hinausgehende Elternrolle wahrzunehmen. Fürsorgearbeit sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf wären nicht mehr länger nur "Frauenthemen", sondern würden beide Elternteile betreffen.
KEINE CHANCE DEM ROSENKRIEG?
- Bei Fällen von häuslicher Gewalt kommen weder die oben angesprochene Probezeit noch die gemeinsame Obsorge infrage.
- Ob diese auch bei strittigen Scheidungen - wie sie in etwa zehn Prozent der Fälle vorliegen - dem Kindeswohl zuträglich ist, müssen Familiengerichte nach einer sechsmonatigen Übergangsphase entscheiden.
Weitere Informationen zur Obsorge beider Eltern.